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Füllwörter, Unwörter & Worthülsen





Deutsch ist eine merkwürdige Sprache. Wenn es ernst wird, sagen die Leute: „Das kann ja heiter werden.“ Unbekannt


Liebe Leserin, lieber Leser,

da sitze ich an meinem Artikel für diesen Blogeintrag und sammle meine Gedanken, um Ihnen etwas über Unwörter und Worthülsen zu berichten – und plötzlich flattert ein Dompfaff (oder Gimpel) herbei und lässt sich auf einem Thymian-Topf nieder, um genüsslich die bereits arg verwelkten Blüten des benachbarten Lavendels abzuknabbern. Bis jetzt war mir eigentlich nicht wirklich klar, dass Lavendelblüten sozusagen ein integraler Bestandteil des Dompfaff-Speiseplans sind. Klar wurde mir hingegen, dass ich im vorherigen Satz gleich drei unnötige Füll-/Unwörter/Worthülsen eingebaut hatte: „Eigentlich“, „wirklich“, „Sozusagen“. Genau. Und „genau“ reiht sich auch gleich in diese illustre Runde mit ein und setzt sich direkt an die Spitze.


Korrekt. Genau. Eigentlich. Sozusagen. So. Also. Wir sind auf einem richtigen Weg. Meine subjektive Wahrnehmung ist, …


Der Dompfaff hat sich gut gesättigt längst von dannen gemacht – und ich kaue immer noch auf dem gedanklichen Keks herum, zu welcher Kategorie die oben genannten Wörter wohl gehören mögen: #Füllwörter? #Worthülsen – oder gar richtiggehende linguistische #Weichmacher? Werden diese Buchstabengruppen in Politik, Werbung, Medien, etc. ganz gezielt eingesetzt, um unbequeme Verbindlichkeit zu vermeiden? Oder flattern diese Wörter ganz intuitiv zu den passenden Töpfen? Mein Blick schweift nach oben – und bleibt auf einem Kalenderspruch kleben:


Die Zeit zwischen Sonnenaufgang und -untergang weise zu nutzen – das sei unser aller Maß


Ich gebe es ja zu – ich bin ein ausgemachter Fan von Kalendersprüchen. Und dieser passt doch hervorragend in den aktuellen Kontext, denke ich mir. Denn Füllwörter, die sich negativ auf Klarheit, Verbindlichkeit und Nachdrücklichkeit einer Aussage auswirken, verschwenden nicht nur unsere Lebenszeit – sondern auch die unserer Zuhörer, Leser und Gesprächspartner. Wer klare Worte hört und direkt versteht, muss nicht immer wieder nachfragen. Der Umweg durch den "Bullshit-Bingo"-Filter fällt weg, die sorgsam gewählten und konkreten Worte können umgehend ihre Wirkung im Decoder des Empfängers – dem Gehirn – entfalten. Klarheit, Unmissverständlichkeit, Verbindlichkeit in der Sprache und im Auftreten wirken sich auch enorm positiv auf die Glaubwürdigkeit des Vortragenden oder Präsentierenden aus. Mein Slogan "Sicher wirken!" zielt auf diese wichtige Authentizität ganz bewusst ab: Sicherheit im Auftritt und Wirkung in der Botschaft stellen sich nicht ein, wenn jeder einzelne artikulierte Satz einen ordentlichen Griff in die Worthülsenkiste vermuten lässt. Und nicht vergessen: der Kontext spielt auch immer eine wichtige Rolle – und leidet ebenso unter Füllwörtern, die den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen lassen.


Man sollte alles so einfach wie möglich machen, aber nicht einfacher als es ist.

Albert Einstein


Genau. Und daher möchte ich mich jetzt ein wenig über das Un- und Füllwort "Genau" und dessen inflationäre wie unsinnige Verwendung auslassen. Als ich mit einem Freund und Geschäftspartner über dieses Manuskript redete, erzählte er mir, dass eine von ihm sehr geschätzte Yoga-Lehrerin in ihren Klassen dieses Wort viel zu oft und als ungeeigneten Verstärker ihrer Ausführungen einsetzt. Dabei hat sie es aufgrund ihrer Erfahrung und ihrer Qualifikation überhaupt nicht nötig, sich selbst rhetorische Schützenhilfe geben zu müssen. Aber irgendwann scheint sich diese Hülse in ihren Wortschatz geschlichen – und dauerhaft festgesetzt zu haben. Aber nicht nur, dass dieses Unwort keine Wirkung erzielt, es verwässert ob seiner ständigen Wiederholung auch noch den jeweiligen Inhalt und lenkt von dem beim Yoga angestrebten Zustand des gedankenfreien Verweilens im Hier und Jetzt ab. Ich habe dem mir gut bekannten Yogi geraten, sie doch einfach darauf anzusprechen – auch wenn das Risiko besteht, dass sie sich in der ersten Zeit beobachtet und befangen fühlt. In meinem Coaching-Alltag erlebe ich ähnliche Situationen nämlich häufiger als man denkt. Worthülsen, verschwurbelte Satzanfänge oder der unheilige Konjunktions-Dreiklang "Hätte, könnte, würde" machen Sie regelmäßig kleiner als Sie sind.


Lassen Sie Floskeln, vorauseilende Entschuldigungen (man kann sich tatsächlich nicht selbst entschuldigen, aber dazu mehr in einem zukünftigen Beitrag) einfach weg – und versuchen Sie auch nicht, sich den aktuellen Trends der Wortklauberei anzupassen.

Ihre

Esther Schweizer


P.S. Quellenangaben und Verlinkung. Ich übernehme keine Gewähr für die Aktualität und Richtigkeit. Abgerufen und gesehen 08.2021




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